LaWa*
Die Situation 2023 (ein Pressebericht)
Hochwasserschutz in Angeln
Zu teuer, nicht sicher, nicht nachhaltig: Anwohner kritisieren weiter den Polder-Bau in Gelting
Von Stephan Schaar | 13.04.2023, 17:54 Uhr
 
Der über zehn Jahre währende Streit um den Hochwasserschutz in Gelting hat die Gemeinde tief gespalten. Während die einen den endlich fertiggestellten Polder feiern, halten die Befürworter einer Au-Umleitung den Bau weiter für einen schlimmen Fehler.
Seit im September 2011 ein großer Teil der Gemeinde Gelting bei einem Unwetter im Hochwasser der Geltinger Au versank und ein Schaden in Millionenhöhe entstand, streiten sich Bürger und Verbände um die beste Maßnahme für den Hochwasserschutz.
In dem neuen Polder im Süden von Gelting soll das Wasser bei Hochwasser zurückgehalten werden.
 
Der verantwortliche Wasser- und Bodenverband (WBV) Geltinger und Stenderuper Au hatte sich schon früh für den Bau eines Polders entschieden, wogegen zahlreiche Geltinger Bürger, die sich in der Interessengemeinschaft für Land-, Gewässer- und Hochwasserschutz (LaWa) für Gelting und Umgebung organisiert haben, bis heute kämpfen. Auch wenn inzwischen mit dem fertigen Polder Fakten geschaffen wurden, halten sie diese Lösung weiterhin für einen großen Fehler.
„Die Entscheidung für den Polder wurde aus unserer Sicht viel zu früh und gegen jede Vernunft gefällt. “
„Und ich kann einfach nicht verstehen, dass bei so einer wichtigen und zukunftsweisenden Entscheidung sachliche Argumente und Bedenken von uns und zahlreichen Experten durch die Verantwortlichen einfach in den Wind geschlagen wurden“, sagt Hans-Peter Buchholz, der selbst vom Hochwasser 2011 stark betroffen war und daraufhin die Interessengemeinschaft LaWa mitgegründet hat.
 
Alternative Pläne fanden kein Gehör
„Wir haben viel Zeit und Geld investiert, um mit Hilfe von Fachleuten und Umweltverbänden aufzuzeigen, dass eine Umleitung der Au östlich um Gelting herum eine sinnvolle und auch naturnahe Lösung für den Hochwasser- und Gewässerschutz wäre“, erklärt Buchholz. Die IG hätte bereits alle Voraussetzungen geklärt, Pläne erstellen lassen und auch vom Landbesitzer Baron von Hobe die Zusage erhalten, dass er für die Umleitung bis zu drei Hektar seines Landes abtreten würde. „Aber wir haben mit unseren gut ausgearbeiteten Plänen kein Gehör gefunden. Es hieß damals nur, unsere Alternative sei zu teuer, würde nicht gefördert und die Polderlösung sei genau so gut. Aber das stimmt in vielerlei Hinsicht einfach nicht“, sagt der Vorsitzende der IG.
Für Hans-Peter Buchholz ist es unbegreiflich, warum sich der WBV die Chance entgehen ließ, mit der Umleitung einen naturnahen und sicheren Schutz gegen Hochwasser zu schaffen. 
 
„Inzwischen ist klar, dass der Polder mindestens 1,7 Millionen kostet und dabei nur knapp zur Hälfte vom Land gefördert wird. Die Gemeinde will 30 Prozent übernehmen und wir wenigen sogenannten Vorteilsnehmer müssen von dem Rest noch 80 Prozent zahlen. Das ist viel Geld“, so Buchholz. Die Kosten für die Alternative sei aber nur auf 1,2 Millionen Euro geschätzt worden. Und die könnten mit mindestens 90 Prozent mit EU-Fördergeldern finanziert werden, da eine solche Umleitung und die damit einhergehende Renaturierung des Bachlaufes den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie der EU entspreche. „Aber das wurde schlichtweg ignoriert und sogar vom Umweltministerium des Landes fälschlicherweise behauptet, dass es keine Förderung der EU für die Umleitung gebe“, so Buchholz.
Eine Umleitung und Renaturierung des Baches hätte den Ansprüchen der EU-Wasserrahmenrichtlinie entsprochen und wäre fast vollständig gefördert worden. 
 
Auch die wiederholt vorgebrachten Einwände, dass der 17 Hektar große Polder mit einem Fassungsvermögen von rund 200.000 Kubikmetern viel zu klein sei, wären nicht gehört worden. „Wir hatten 2011 innerhalb kürzester Zeit mehr als die vierfache Wassermenge in der Au, etwa 900.000 Kubikmeter sind damals heruntergekommen. Würde so etwas noch einmal passieren, könnte das der neue Polder gar nicht aufnehmen und Gelting würde wieder überflutet werden. Das sagen auch Experten, die sich wirklich mit der Materie auskennen“, sagt Buchholz. Auch ein Kompromiss, bei dem erst der Polder und dann die Umleitung gebaut würde, sei jetzt nicht mehr möglich. „Dafür hätte der Polder anders gebaut werden müssen. Nun steht der Durchlass an der falschen Stelle“, sagt er.
Hinter diesem Einlass fließt die Au in ein 500 Meter langes Rohr, dass aber nur einen Durchmesser von 1,1 Meter hat. Immer wieder kommt es hier zu einem Rückstau des Wassers. 

Der Flaschenhals in Gelting, an dem sich 2011 das Wasser der Au staute und den Ort überflutete, ist das über eine Länge von rund 500 Metern unter dem Ort hindurchlaufende Rohr, in dem der Bach seit den 1970er-Jahren verläuft. „Das Rohr ist mit einem Durchmesser von nur 1,10 Meter nachweislich viel zu klein, um größere Wassermengen aufzunehmen. Dennoch hält der WBV daran fest, dass die Au dort auch in Zukunft durchgezwängt werden muss. Dabei muss so ein 50 Jahre altes Rohr ja auch bald saniert werden, und auch das wäre mit dem Bau einer Umleitung kein Problem gewesen“, erklärt der Rentner. Dazu sagt Geltings Bürgermeister Boris Kratz: „Das örtliche Kanalsystem wird in mehreren Schritten geprüft und begutachtet, um erforderliche Sanierungen oder Optimierungen zu erkennen und dann entsprechend einzuplanen.“
 
Gründe für Polder-Entscheidung rein wirtschaftlich
Nach den Gründen für die Entscheidung für den Polder gefragt, verweist Kratz auf den WBV: „Die Gemeinde Gelting ist nicht Maßnahmen-Träger, sondern der Wasser- und Bodenverband Geltinger und Stenderuper Au, der die Entscheidung nach Abstimmung und Planung mit der Wasserbehörde getroffen hat“, so Kratz. Da die zu dem Zeitpunkt vorliegenden Varianten ähnlich ausgelegt gewesen wären, sei die Entscheidung für die wirtschaftlichste und zielführendste gefallen, sagt der Bürgermeister und ergänzt: „Da im Hinblick auf die klimatischen Veränderungen der Hochwasserschutz generell einen hohen Stellenwert hat, steht die Gemeinde im Rahmen der Hochwasserschutzstrategie des Landes erforderlichen Maßnahmen offen gegenüber.“
Geltings Bürgermeister Boris Kratz steht hinter der Entscheidung für den Polder als Hochwasserschutz für seine Gemeinde. 
 
Auf Nachfrage antwortet der WBV-Vorsitzende Hans-Asmus Martensen: „Dazu möchte ich mich nicht äußern, denn in den Jahren von 2011 bis 2021 sind diese Punkte auch mit den Betroffenen ausführlich diskutiert worden. Wir hatten allein für das Planfeststellungsverfahren sieben Anhörungen vor Ort, in denen alle Punkte angesprochen wurden.“ Zudem weist Martensen darauf hin, dass eine Klage, die die Gegner des Polders nach der planfestgestellten Genehmigung des Bauwerks eingereicht hatten, vom Verwaltungsgericht in Schleswig abgewiesen worden sei.
Hans-Peter Buchholz beschäftigt bei der ganzen Diskussion aber noch ein anderer Aspekt: „Dieser Streit hat die Gemeinde gespalten und es gibt keine sachliche Auseinandersetzung mehr“, sagt er.