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Stellungnahme des NABU
NABU Schleswig-Holstein · Färberstraße 51 · 24534 Neumünster                                                     

Kreis Schleswig-Flensburg
Wasserwirtschaft, Bodenschutz und Abfall z.Hd. Herrn Petersen
Flensburger Str. 7

24837 Schleswig
per E-Mail
 
 
 
Ihr Zeichen                                                                               Ihr Schreiben vom
66.41.10/G-§ 68 WGH  
                                     15.05.2017
 
Planfeststellungsverfahren nach WHG
Maßnahme zum Schutz vor Hochwasser bei Starkregenereignissen in
der Gemeinde Gelting
 
Erneute Auslegung und Beteiligung
 
 
Sehr geehrter Herr Petersen,
 
 
der NABU Schleswig-Holstein bedankt sich für die zugeschickten Unterlagen. Der NABU gibt zu dem o.a. Vorhaben – nach Rücksprache mit seinen örtlichen Bearbeitern – die nachfolgende Stellungnahme ab.
 
Der NABU lehnt die Errichtung eines Polders als Maßnahme zum Hochwasserschutz in der Gemeinde Gelting weiterhin ab und befürwortet zugleich die Planungsalternative in Form einer „Umgehungsgerinne“, wie sie in den Unterlagen genannt wird. Zur Begründung verweisen wir auf unsere Ihnen vorliegende Stellungnahme vom 13.10.2016 und ergänzen diese wie folgt:
 

1. Lastfall

Die vorhandene Rohrleitung durch den Ort Gelting ist mit der Verrohrung der Geltinger Au vor ca. 50 Jahren gebaut worden. Sie kommt damit in ein Alter, wo eine Erneuerung geplant werden muss. Um den Erfordernissen gerecht zu werden, die der Abfluss aus dem geplanten Polder mit sich bringt, muss mindestens der vorhandene Querschnitt gewährleistet sein. Nur einen Bruchteil der hierfür notwendigen Kosten würde die Erneuerung kosten, wenn diese Leitung ausschließlich als Ortsentwässerung dienen müsste, da dann die bestehende Leitung mit einem neuen, eigezogenen Rohr (Inliner Verfahren) kleineren Querschnitts versehen werden könnte.
Die Kosten für die Erneuerung / Instandsetzung der bestehenden Verrohrung werden in den Planunterlagen nicht berücksichtigt.
Auch eine gemeinsame Positionierung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Verbandes kommunaler Unternehmen
betont, dass der Ausbau der bestehenden Entwässerungssysteme … im Regelfall keine ausreichende Überflutungssicherheit schafft. (Quelle: Positionspapier der genannten Verbände) Bei der angestrebten Lösung in Gelting jedoch ist die bestehende alte Rohrleitung durch den Ort wesentlicher Bestandteil des Schutzkonzeptes.
 
Außerdem wurde ein möglicher Staudruck auf den Grundwasserspiegel im Ort, der im Lastfall durch den gefüllten Polder entstehen kann, nicht berücksichtigt. So gibt es Hinweise, dass schon jetzt bei starkem Hochwasser in der Geltinger Au das Grundwasser lokal steigt bzw. in Keller eindringt.
 
 

2.Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie

In der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wird ausdrücklich als Ziel die Erhaltung und die Verbesserung der aquatischen Umwelt in der EU genannt. Hierbei liegen die Schwerpunkte sowohl auf der Wassergüte wie auf der Wassermenge. Die Richtlinie nennt eindeutig als Ziel die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie den Schutz und die Verbesserung des Zustandes der aquatischen Ökosysteme. Eine schrittweise Reduzierung der Verschmutzung soll sichergestellt werden. Diese verbindlichen Vorgaben werden durch die Polderlösung nicht oder in wesentlich geringerem Maß erfüllt. Hinzu kommt, dass durch eine mögliche Beweidung der Polderfläche zusätzlich neue Nährstoffe eingetragen würden. Im Übrigen sind Bodenuntersuchungen des bestehenden Bodens im Hinblick auf Schadstoffe nicht vorgesehen. Ein naturnahes Fließgewässer hingegen würde die Anforderungen der EU- WRRL deutlich effizienter erfüllen, sodass damit auch den angestrebten Meeresschutzzielen besser entsprochen werden kann. Die Klärleistung und die Pufferwirkung von offenen und fließenden Gewässern sind höher.
 
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass bezüglich der WRRL das Polderprojekt nicht den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird und daher aus naturschutzfachlicher Sicht abzulehnen ist, insbesondere angesichts der bestehenden Planungsalternative.
 
 

3.Berücksichtigung des Bundesnaturschutzgesetzes

Im Bundesnaturschutzgesetz heißt es ausdrücklich (§1, Abs. 3, Satz 3):
„Natur und Landschaft sind … so zu schützen, dass Meeres- und Binnengewässer vor Beeinträchtigungen zu bewahren…sind. …
Hochwasserschutz hat auch durch natürliche oder naturnahe Maßnahmen zu erfolgen; für den vorsorgenden Grundwasserschutz sowie für einen ausgeglichenen Niederschlags-Abflusshaushalt ist auch durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege Sorge zu tragen.“ Diesen Grundsätzen würde ein naturnaher Bachlauf deutlich mehr gerecht werden als die Polderlösung und müsste deshalb schon aus naturschutzrechtlichen Gründen bevorzugt werden.
Auch die hier anliegenden Küstengewässer, das Geltinger Noor und die dahinter liegende Küstenlinie an der Geltinger Birk in der Geltinger Bucht sind als prioritärer FFH-Lebensraumtyp direkt von den Einleitungen durch Niederschlagswasser betroffen. Die Vorschriften des BNatSchG gelten auch im Bereich der Küstengewässer. Die Planungsalternative eines naturnahen Bachlaufes hätte unzweifelhaft eine bessere Wasserqualität durch geringere Stoffeinträge zur Folge.
 

4.Berücksichtigung des Landesnaturschutzgesetzes

Auch im Landesnaturschutzgesetz wird bei Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 8, Abs. 1, Nr. 6 LNatSchG) der Verursacher verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen. (§ 15,  Abs. 1
LNatSchG) „Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind. …“ Demnach ist auch nach dem LNatSchG dem naturnahen Fließgewässer der Vorzug zu geben. Es kann andernfalls davon ausgegangen werden, dass die Wassergüte und Eintragsverteilung so nachhaltig verändert wird, dass eine negative Beeinträchtigung des Geltinger Noores zu erwarten ist. Zusammen mit anderen negativen Einflüssen auf das Geltinger Noor (diffuser Nährstoffeintrag, Störungen durch Surfer etc.) liegt hier eine Kumulierung von negativen Einflüssen vor, die in einer FFH- Verträglichkeitsprüfung berücksichtigt werden müssten.
 
 

5.Informationsschreiben des MELUR

In einem öffentlichen Infobrief „Auf zu neuen Ufern“ (1/2013) betont das MELUR ausführlich die Notwendigkeit der Berücksichtigung der ökologischen Aspekte beim Hochwasserschutz. Auch hier wird ausdrücklich auf die Wasserrahmenrichtlinie verwiesen, in der für
„strukturreiche und lebendige Gewässer“ geworben wird. Ebenso wird die essentielle Bedeutung der Minderung der Nährstoffeinträge in die Meere betont. Es wird ausdrücklich als Belastung erwähnt, dass
„Staubauwerke und Anlagen, die die Abflüsse regulieren, nicht nur die hydrologischen Verhältnisse verändern, sondern darüber hinaus auch Wanderhindernisse für Fische und andere aquatische Lebewesen darstellen.

 

6.Finanzierung

Im Hinblick auf den Kostenvergleich der beiden Varianten zum Hochwasserschutz scheinen uns zum einen die Folgekosten der jeweiligen Projekte zu ungenau berücksichtigt, zum anderen geht aus den Planungsunterlagen unzureichend hervor, welche Zuschussmöglichkeiten die beiden Varianten erwarten lassen.
 
Gelting als Gemeinde, deren wichtiges wirtschaftliches Standbein der Tourismus ist, hat bereits gute Erfahrungen gemacht mit den positiven Auswirkungen des Naturschutzes in Zusammenhang mit dem Naturschutzgebiet Geltinger Birk. So wäre vermutlich auch der naturnahe Ausbau der Geltinger Au zugleich ein touristischer Gewinn.
 

Zusammenfassung

 
Der Polderlösung ist weder aus naturschutzfachlichen/- rechtlichen, noch aus wirtschaftlichen Gründen der Vorzug zu geben. Insbesondere die ökologischen Aspekte sind hierbei aus unserer Sicht zu wenig berücksichtigt.
Wir empfehlen die Ablehnung des Projektes „Polderlösung“ und befürworten die Variante „Umgehungsgerinne“ oder besser: „Naturnaher Bachlauf“.
 
Der NABU behält sich Ergänzungen seiner Stellungnahme vor.
Der NABU bittet um Rückäußerung, wie über seine Stellungnahme  befunden wurde sowie um weitere Beteiligung am Verfahren.
 
Mit freundlichem Gruß i.A.
 
 
Angelika  Krützfeldt NABU Schleswig-Holstein