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Stellungnahme der AG-29
AG-29

Arbeitsgemeinschaft der anerkannten Naturschutzverbände in Schleswig-Holstein

Landesnaturschutzverband - AG Geobotanik - Landesjagdverband Landessportfi­scherverband - Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer - Schleswig-Holsteinischer Heimatbund - Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - Verein Jordsand


Tel.: 0431 / 93027      Fax: 0431 / 92047   E-Mail: AG-29@LNV-SH.de         Internet: www.LNV-SH.de AG-29, Burgstraße  4, D-24103 Kiel
Kreis Schleswig-Flensburg Flensburger Straße 7 24837  Schleswig

 
 
 
Ihr Zeichen I vom 66.41.10/G-§ 68 WHG                   Unser Zeichen / vom Pes / 846 / 2016                      Kiel, den 13. Oktober 2016
 
 
 

Maßnahme zum Schutz vor Hochwasser bei Starkregenereignissen in der Ge­meinde Gelting;

 

Hier: Planfeststellungsverfahren gem.§ 68 Abs. 1   Wasserhaushaltsgesetz

 
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
vielen Dank für die Zusendung der Unterlagen zu dem vorgenannten  Verfahren, zu dem die in der AG-29 zusammengeschlossenen Naturschutzverbände wie folgt Stellung nehmen.
 
Die o. g. Planung sieht die Errichtung eines Polders vor. Die AG-29 befürwortet als Alternati­ve die Errichtung eines naturnahen Umgehungsgerinnes.

 
1
In der Planung finden wesentliche europäische bzw. nationale gesetzliche Vorgaben keine Berück­sichtigung.
 
Die europäische Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) schreibt die Erstellung von Bewirtschaf­tungs­plänen für die Einzugsgebiete aller Flussgebietseinheiten vor, um einen guten ökologi­schen und chemischen Zustand der Gewässer zu erreichen (s. Richtlinie  2000/60/EG  Artikel 1a: ,,Vermeidung  einer  weiteren  Verschlechterung  sowie  Schutz  und  Verbesserung   des Zu­stands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosyste­me und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt" i. V. m. Artikel 1e:" Beitrag zur Minderung der Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren'').
 

Zudem gelten die Vorschriften der Richtlinie 2000/60/EG Artikel 4, um die definierten Um­welt­ziele (Schutz, Verbesserung und Sanierung aller Oberflächenwasserkörper) zu erreichen. 

Neben dem o. g. Verschlechterungsverbot sieht die WRRL die Erreichung des guten ökolo­gi­schen Zustandes bzw. des guten ökologischen Potenzials vor. Außerdem fordert  die WRRL die Schaffung der Durchgängigkeit der Gewässer. Diese Forderungen gelten für alle Gewässer in der EU.
 
Die AG-29 verweist zudem auf das Bundesnaturschutzgesetz. Hier heißt es im § 1 Abs. 3, Punkt 3: ... Hochwasserschutz hat auch durch natürliche oder naturnahe Maßnahmen zu er­ folgen".
 
Die o. g. Planung der ,,Polderlösung" folgt somit nicht der geltenden Gesetzgebung. Die Pla­nung widerspricht dem EG-WRRL Bewirtschaftungsplan und dem Maßnahmenprogramm in wesentlichen Teilen. Die Ziele der WRRL werden nicht berücksichtigt.
 
2
Die Ausführungen im Landschaftspflegerischen Begleitplan sind vollkommen unzureichend. Artenschutz beschreibt nur FFH relevante Arten. Nach Bundesnaturschutzgesetz, Lan­desnatur­schutzgesetz und roten Listen geschützte Arten wurden nicht berücksichtigt. Es  sind keine Untersuchungen zu Flora und Fauna in der Au gemacht worden. Es sind auch keine Bodenuntersuchungen im geplanten Polderbereich durchgeführt worden. Hier könnten schädliche Stoffe freigesetzt werden und in den Unterlauf der Au und letztlich in die Flens­bur­ger Förde geschwemmt werden. Damit könnte eine Verschlechterung der Wasserqualität eintreten.
 
3
In der beigefügten Entwurfs- und Genehmigungsplanung (17.12.2015) werden in einer Be­wer­tungsmatrix die Varianten ,,Polder" und ,,Umgehungsgerinne" verglichen (Tabelle 1, S. 4 ff.).
 
Die AG-29 gibt - exemplarisch - zu einigen Kriterien die folgenden Hinweise und Anmerkun­gen.

  • Pkt. 6: Gefährdung der lnfrastruktur und Bebauunq Freienwill: für die Bebauung ist eine entsprechende Schutzmaßnahme (Verwallung) vorgesehen. Es ist u. E. zu klä­ren, ob etwaige Schutzmaßnahmen auch für die Bundesstraße 199 errichtet werden müs­sen. Dies würde höhere Investitionskosten nach sich ziehen (s. u.),
  • Pkt. 11: Unterhaltungskosten: hier sind mögliche Kosten für den Abtransport von Sand­frachten zu berücksichtigen,
  • Pkt.  12:  Investitionskosten: die nahezu  doppelt  so hohen  Investitionskosten für das ,,Umgehungsgerinne" sind erklärungsbedürftig. Zudem werden für das ,,Umgehungs­ge­rinne" Kostenunwägbarkeiten geltend gemacht. Dies gilt jedoch ebenso für die Polderva­riante (z. B. Ausbesserung von Schäden an der Verwallung nach einem Hochwas­serereignis),
  • Pkt. 13: Grunderwerb: für die Variante ,,Umgehungsgerinne" liegt der benötigte Flä­chen­anteil um ca. 30 % über der Poldervariante. Dies ist erklärungsbedürftig,
  • Pkt. 16: Eingriff in Naturhaushalt: die Errichtung eines künstlichen Bauwerkes wie die vor­gesehene Verwallung wird als geringerer Eingriff in die Landschaft als die Anlage ei­nes naturnahen Fließgewässers gewertet. Dies ist nicht nachvollziehbar, da ein derarti­ges Bauwerk im Bereich Siedlungsrand / Übergang zur freien Landschaft deut­ lich ,,störender" wirkt als ein naturnahes Fließgewässer. Das Kriterium der höheren ökolo­gischen Wertigkeit eines Fließgewässers gegenüber einer Poldervariante wird je­doch nicht als Bewertungsmaßstab aufgeführt. Dies ist nachzuholen.
  • Pkt 17: Bodenschutz: für die Variante ,,Umgehungsgerinne" wird die Nichtnutzung  des Aushubs angenommen. Weshalb in diesem Fall der Aushub nicht für weitere Zwe­cke bzw. Baumaßnahmen genutzt werden kann, wird nicht dargelegt. Dies ist nachzu­holen.

Fazit
Die in der Entwurfsplanung beschriebene Variante ,,Umgehungsgerinne" ist u. E. zu präferie­ren. Denn nur diese Variante erfüllt die gesetzlichen Vorgaben gemäß der WRRL sowie der nationalen Gesetzgebung. Die Errichtung eines naturnahen Fließgewässers besitzt eine deutli­che höhere ökologische Wertigkeit für  die Umwelt als die Poldervariante und ermöglicht die Schaffung einer Durchgängigkeit für zahlreiche Organismen. Der naturschutzfachli­che Nutzen für die Landschaft ist bedeutend höher als die Errichtung eines Polders.
 
Die AG-29 fordert daher den Bau eines naturnahen Umgehungsgerinnes.
 
Wir bitten Sie, die AG-29 im weiteren Verfahren zu beteiligen.
 
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
gez. Achim Peschken